Wie Du mir, so ich dir
Mein kleiner Bruder war zarte zehn Jahre alt, als ich heiratete.
Ich glaube nicht, dass er gefragt oder gebeten wurde, es stand ganz klar fest, dass er der
Glücksbringer an meiner Hochzeit sein sollte. Ausstaffiert mit schwarzen Hosen, schwarzem
Kutteli, rotem Halstuch und dem typischen Zylinder, bewaffnet mit Bäseli und Rute stand
er auf allen Föteli als Kaminfeger an meiner Seite. So wirklich lustig fand er es nicht, wie er
in den folgenden Jahren wiederholt betonte. Dass ihn alle so süss fanden und wildfremde
Menschen ihn den ganzen Tag ansprachen, habe ihn traumatisiert, jammerte er immer wieder.
25 Jahre später bekam ich die Einladung zu seiner Hochzeit. Er übergab sie mir persönlich
und meinte grinsend, es wäre dann nicht mehr als recht, wenn ich auch als Kaminfeger
verkleidet an sein Fest kommen würde. Wirklich damit gerechnet hat er nicht,
denn er staunte nicht schlecht, wie ich ihn vor der Kirche begrüsste. Schwarze Hose,
schwarzer Kittel, rotes Tuch, Zylinder und Besen. Und das bei gut 30 Grad Sommerhitze.
So «härzig» wie mein Brüderchen war ich leider nicht. Ich habe bestimmt die schöneren
«Jööö-Föteli» mit ihm in meinem Hochzeitsalbum als er mit mir in seinem.
Aber wir sind jetzt quitt.
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Geschichten & Rezepte aus der Landfrauenagenda 2025 Woche 21